Thursday, May 24, 2007

Der Touristenschocker

Der Sommer steht vor der Tür und damit die Reisesaison, und aus diesem Anlass möchte ich mich und die Leser daran erinnern, dass mir bei vielen meiner Reisen in dieses gelobte Land, vor allem zur Ferienzeit, auf der Fähre Richtung Schweden die erwartungsfrohe Schar deutscher Urlauber auffiel, um genauer zu sein: die Schar der Müslitouristen, wie ich sie nenne, die, auf dem Weg ins vermutete Ökoparadies, offenbar ein völlig falsches Bild von Schweden ihr eigen nennen. Diese unrasierten Bommelmützenträger mit Elchaufklebern an ihren Wohnmobilgespannen glauben wohl, dass hier alle in handgestrickten Norwegerpullovern mit Rentiermustern in der Mitternachtssonne herumwandern, beziehungsweise im leicht angegammelten Volvo Amazon auf notdürftig asphaltierten Straßen durch Naturparadiese kutschieren, Hüttenkäse und Hering futtern, Gemüsesaft trinken und bei gemütlich-nordischen Wikingerheimabenden auf dem Fell vor dem Kamin über ökologische Landwirtschaft fachsimpeln. Weit gefehlt! Ich kann die potentiellen Touristen unter den Lesern nur warnen: Da werdet Ihr bitter, sehr bitter enttäuscht sein von all den McDonalds, Seven-Eleven, Burger-Kings, den dicken und durstigen Schlitten, den gepflegten Top-Miezen, die jedes Sexismus-Klischee übertreffen aber doch emanzipierter sind als jede heimische mausgraue Wollpulloveremanze mit Designerbrille, den Shoppingpalästen, Modeboutiquen et cetera. Also, lasst es Euch eine Warnung sein, denn Ihr kommt in das nach Holland am meisten amerikanisierte Land Westeuropas. Fahrt lieber in den Schwarzwald.

1 comment:

Pamphletterman said...

Qua definitionem bezeichnen mit dem Suffix „-ismus“ entstandene Wörter immer ein Abstraktum, ein Glaubenssystem, eine Ideologie oder wenigstens eine geistige Strömung -wobei hier „Strömung“ eher mit „Ausfluss“ gleichzusetzen ist, der wiederum i.d.R. in kausalem Zusammenhang einer „-itis“/Entzündung“ auftritt. Im Sinne einer schnellen Anamnese leidet der gemeine Tourist (vulgo: Globetrottel) also unter entzündlicher Verkrustung der cerebralen Windungen. Dies wiederum erklärt –begünstigt durch saisonal verstärkte Rudelbildung- die derart bizarr klingenden, beschriebenen Verhaltensmuster im Rahmen der zeitgeist-grassierenden, pandemischen Ethnotümelei.
Das, lieber Ebbe, ist keine Seuche, die allein Schweden heimsucht. Nein, nein, der wohlfahrtswallfahrende Globetrottel überfällt in realkulturnaiver Beissstarre jeden freien Winkel –eben auch den Schwarzwald –wie ich aus jüngster Vergangenheit zu erzählen weiß. Dort wartet man nur darauf dem reingeschmacksverirrten Tortourist die in Ost-Bangladesh zusammengefraggelten, spanplatten Kuckucksuhren zu verticken, sie mit ukrainischen, wilddeponiefeuergeräucherten, gammeleingefleischten Pressspanschinken abzuspeisen bzw. dem ganzen dann den in Ostanatolien durch beidarmig-amputierte Ex-PKKler geklöppelten Bollenhut aufzusetzen. Denn das Nebenprodukt der Warenzirkulation, die als Konsum betrachtete menschliche Zirkulation (=Tourismus), lässt sich im wesentlichen auf die Muße zurückführen, das zu besichtigen, was banal geworden ist. Die wirtschaftliche Erschließung des Besuchs verschiedener Orte ist bereits von selbst die Garantie ihrer Äquivalenz. Dieselbe Modernisierung, die der Reise die Zeit entzogen hat, hat ihr auch die Realität des Raums entzogen. Also immer schön aufs Label achten: Very naiv, very native und extra vergine.
Apropos Jungfrau: die neue Heidi (GeraniensNextTopAlien) heisst Barbara und wird allem spontangezappten (ehrlich!) Anschein nach den kulturbarbarischen Fußabdruck ihrer Pacemakerin noch weiters ausdappen. Ich wünsch’ Ihr hiermit herzlichste Bulimie und höchste Ausschaltquoten.
Ich muss’ mal … reisen!