Thursday, May 24, 2007

Der Touristenschocker

Der Sommer steht vor der Tür und damit die Reisesaison, und aus diesem Anlass möchte ich mich und die Leser daran erinnern, dass mir bei vielen meiner Reisen in dieses gelobte Land, vor allem zur Ferienzeit, auf der Fähre Richtung Schweden die erwartungsfrohe Schar deutscher Urlauber auffiel, um genauer zu sein: die Schar der Müslitouristen, wie ich sie nenne, die, auf dem Weg ins vermutete Ökoparadies, offenbar ein völlig falsches Bild von Schweden ihr eigen nennen. Diese unrasierten Bommelmützenträger mit Elchaufklebern an ihren Wohnmobilgespannen glauben wohl, dass hier alle in handgestrickten Norwegerpullovern mit Rentiermustern in der Mitternachtssonne herumwandern, beziehungsweise im leicht angegammelten Volvo Amazon auf notdürftig asphaltierten Straßen durch Naturparadiese kutschieren, Hüttenkäse und Hering futtern, Gemüsesaft trinken und bei gemütlich-nordischen Wikingerheimabenden auf dem Fell vor dem Kamin über ökologische Landwirtschaft fachsimpeln. Weit gefehlt! Ich kann die potentiellen Touristen unter den Lesern nur warnen: Da werdet Ihr bitter, sehr bitter enttäuscht sein von all den McDonalds, Seven-Eleven, Burger-Kings, den dicken und durstigen Schlitten, den gepflegten Top-Miezen, die jedes Sexismus-Klischee übertreffen aber doch emanzipierter sind als jede heimische mausgraue Wollpulloveremanze mit Designerbrille, den Shoppingpalästen, Modeboutiquen et cetera. Also, lasst es Euch eine Warnung sein, denn Ihr kommt in das nach Holland am meisten amerikanisierte Land Westeuropas. Fahrt lieber in den Schwarzwald.

Thursday, April 26, 2007

Monday, April 23, 2007

Die Nordischen Meisterschaften im Austernöffnen

Zwei wichtige Meldungen aus der Tageszeitung, die ich heute bei einem belegten Brötchen von der Konkurrenz meines Stammcafés las – welches Montags geschlossen ist – waren, neben dem Rücktritt von Lars Lejonborg, das ist so eine Art Schweden-Westerwelle, und dem Tode von Bobbele Jelzin (Friede seiner Asche!), die Austragung der Nordischen Meisterschaften im Austernöffnen sowie eine neue Umweltbestattungsmethode vermittels Gefriertrocknung, bei der der schockgefrorene Sarg durch Rütteln zu Staub zerfällt und das Pulver dann in einer Pappschachtel beerdigt wird. Ich mutmaße, dass hier Nestlé eine Ausgründung vorgenommen hat, um dieses neue Konzept zu vermarkten. Nescafé Gold trinkt in Schweden nämlich niemand, hier verwendet man ein streng geheimes Kaffeekonzentrat namens Zoega oder Gevalia, welches die Stärke von Nescafé weiter hinter sich lässt und sich bei Einwanderern wie mir nach nur einem Tässchen durch Herzrasen, Panikattacken und Magengeschwüre äußert. Seltsamerweise fällt es aber, ebenso wie Snus, nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Man könnte natürlich auch eine Instant-Suppe aus der Großmutter machen. Nun gut, für Jelzin kommt diese neue Bestattungsmethode wegen des hohen Alkoholgehalts im Gewebe (Explosionsgefahr!) sowieso nicht in Betracht.

Und ja, bevor ich es vergesse, die Nordischen Meisterschaften im Austernöffnen fanden also in Grebbestad statt, irgendwo im hinterschwedischen Nirvana, und da der irische Vorjahresmeister gar nicht antrat (vermutlich hat er Grebbestad nicht gefunden, da es nur auf Landkarten im Maßstab 1:1 verzeichnet ist), hatte das Schwedische Nationalteam gute Chancen. Die es auch umsetzte, und so heißt der neue Nordische Meister im Austernöffnen seit heute Hasse Johansson mit dreißig Austern in traumhaften zwo Minuten achtundreißig. Glückwunsch! Ein schönes Trostpflaster nach dem vergeigten WM-Spiel letzten Sommer. Allerdings gab es für Schalensplitter etwas Punkteabzug. In dieser Disziplin tummeln sich übrigens außer den Austern nur äußerst wenige Frauen, hier sollte die Gudrun mal durchgreifen. Die beste Frau nur auf Platz vier! Die Austern stammten, man glaubt es kaum, von der Schwedischen Westküste, wo es dank Klimakatastrophe immer wärmer wird und daher auch immer mehr Austern gedeihen. Bald lebe ich hier hoffentlich mediterran, denn Schweden wird der Gewinner der Klimakatastrophe sein. Ich lehne mich jetzt also in einer schönen Vorfreude auf die kommenden Wärmejahre in meinem Privatbibliotheksclubsessel zurück und schlürfe noch ein paar Huîtres. Bonne Nuit!

Friday, April 13, 2007

Im Supermarkt

War die werte Leserschaft schon einmal in einem schwedischen Supermarkt einkaufen? Nein? Dann Gott sei es gelobt und gepfiffen! Vom Händler aus betrachtet, ist die Welt hier noch mehr als in Ordnung. Die Marge, so hörte ich kürzlich, liege bei satten siebzehn Prozent! In Deutschland liegt sie bei einem Prozent. Aber der Schwede kauft gern Qualität, und Qualität ist teuer. Also schlägt der Einzelhändler gerne sechzehn Prozent auf das eine Prozent drauf, damit der Schwede das Gefühl hat, er habe gut gekauft. Eine Charaktereigenschaft ist nämlich, dass der Schwede gerne zuviel bezahlt. Überall und für alles. Zu viele Steuern, zu hohe Preise. Da ist er dann glücklich, denn dann stimmt die gefühlte Qualität. Daher geht es auch Lidl hier schlecht. Denn er ist zu billig. Auch in der Aufmachung, das Design stimmt einfach nicht. Der Schwede - und da schließe ich mich in diesem Fall als ausgewiesener Lidl-Hasser an- fühlt sich gern wohl. Und im Lidl fühlt man sich unwohl. Kein Klo. Keine Fika-Ecke. Beim neulich eröffneten ersten Mediamarkt lief es hingegen besser. Hier hatten selbst die Schweden die Nase voll von ihren Expert, On-Off und El-Giganten (beim El-Giganten war ich einmal. Das gigantisch bezog sich eindeutig auf die Preise, das Sortiment war eher wie in der DDR). Dabei liebt der Schwede High-Tech und Gadgets. Also lief er in Scharen zum Mediamarkt über. Die Eröffnung war ein Fest, fast wie damals in Polen. Aber was für High-Tech gilt, gilt eben nicht im Lebensmitteleinzelhandel. Nur der hochnäsige Stockholmer isst gern fremdländisch, der gewöhnliche Schwede braucht keinen Chaumes, Etorki oder Appenzeller. Ihm reicht statt Käse der „ost“ und statt Wurst die „korv“ (Der Langenscheidt übersetzt korv mit Wurst, aber das ist falsch. Es handelt sich vielmehr um ein Wurst-Imitat aus Augen, Klauen, Rüsseln, Schwänzen, Hufen, Borsten und Rosetten, gemischt mit reichlich Soja-Mehl). Der „ost“ also das korrespondierende Käseimitat, besteht aus Gelatine, Salz, Farb- und Aromastoffen in variierenden Anteilen, je nachdem wird er dann als Greve-, Präst- oder Hyllinge-Ost bezeichnet. Fehlen Farb- und Aromastoffe, so verkauft er sich als „hushållsost“, also Haushaltskäse und besteht vermutlich aus derselben Substanz, die auch für Flumis verwendet wird. Hat man sich dann den Einkaufskorb mit derartigen Leckerein gefüllt (vom „Brot“ möchte ich heute nicht sprechen, das ist einen eigenen Eintrag wert), begibt man sich zur Kasse, wo der Schwede sich gern an der längsten Schlange anstellt. Der Deutsche mag jetzt etwas fickrig werden, wenn die Kassiererin die Ware in Stundenzeigerlangsamkeit über den Scanner zieht, nachdem sie bei jedem Artikel durch mehrfaches Drehen und Wenden endlich den Strichcode erspäht hat, verbunden mit einem kleinen Plausch mit jedem Kunden. Wenn man an der Reihe ist, liegt der Blutdruck im von der WHO als kritisch eingestuften Bereich. Aber wenn wir dann mit dem unvergleichlichen, gemütlich-freundlichen und entwaffnenden „hej-hej“ begrüßt werden, begreifen wir: Der Fehler liegt nicht im System. Der Fehler liegt bei uns selbst. Um ein richtiger Schwede zu werden, muss ich noch hart an mir arbeiten.

Tuesday, April 10, 2007

Kunstskandal

Ein großer, ein unfassbarer Kunstskandal erschüttert dieser Tage das Königreich. Von hoch oben im Norden, wo sich Luchs und Rentier gute Nacht sagen, in Umeå, hallt der Aufschrei durch die schwedische Kulturlandschaft. Eine spanische, besser gesagt – und das gefällt mir ganz besonders – eine baskische Performerin, mit dem für hiesige Zungen unaussprechlichen Namen Itziar Okariz erdreistet sich gar ungeheurer Machenschaften: Sie pinkelt vor versammelter Zuhörermannschaft im altehrwürdigen Umeåer Opernhaus einfach auf die Bühne. Im Stehen! Nun könnte man sich fragen: Na und? Jedem Wikinger müsste doch das Herz höher schlagen angesichts dieser Sittennegation, und – insgeheim – tut es das ja auch, jedoch nicht das Herz der Wikingerinnen. Was seltsam ist, denn bei jedem beliebigen skandinavischen Rockfestival sah ich die Mädels reihenweise überall im Stehen pinkeln. Der feine Unterschied ist, vermute ich, dass man so etwas nur ab einem Promille tut, aber nicht vor nüchternem Opernpublikum. Die Gudrun Schyman springt sicher bereits im Karree (sofern sie heute unter ein Promille hat), war sie doch bisher nach der Kinosache von anno dazumals die unangefochtene Pissskandalkönigin, und sämtliche selbsternannten Tugend- und Kulturwächter haben die Pressegeschütze in Position gebracht. Arme Itziar! Musste sie von Donostia fast bis zum Polarzirkel reisen, um noch einen Skandal zu erzeugen. In Deutschland durften wir schon vor siebzehn Jahren im Theater in Annie Sprinkles Muschi gucken, oder ließen unser Gesicht zwischen ihren dicken Milchhupen ablichten, so wie sie auch bereits damals auf die Bühne urinierte. Ein alter Hut also. Die Dielen hat diese Imprägnierung nur haltbarer gemacht, und auch sonst lief nur eine kleine Kulturschockwelle durchs deutsche Land. Geradezu ein Plätschern verglichen mit dem Urintsunami, der nun hier durch Schweden fegt! Aber was konnte auch in Deutschland nach Auschwitz noch schockieren. Nicht mal Annie Sprinkle.

Monday, April 9, 2007

Das Osterreisechaos

Uff, Ostern ist (fast) vorbei! Nachdem in den schwedischen Medien schon zwei Wochen im Vorfeld vor dem Osterreisechaos auf den Straßen gewarnt wurde (das heißt, man sieht auf der Autobahn mehr als einen Wagen vor sich und, womöglich gleichzeitig, und da kommt dann der Osterreisestress auf, einen im Rückspiegel), in jeder Boulevardzeitung seitenlange Kartenübersichten mit den gefährlichen und starkbefahrenen Strecken veröffentlich worden waren, bin ich froh, dass wir unbeschadet von der Verwandtschaft zurückgekehrt sind. Die vorläufige Bilanz liest sich so: Sechs Tote, und die große Rückreisewelle ist dabei heute abend noch im Gang - oh weh! Ich vermute mal, die meisten der Verunglückten sind aufgrund der „hohen“ Geschwindigkeiten und Verkehrsdichte am Steuer eingeschlafen.
Auch wird von den Medien das schöne Wetter verantwortlich gemacht, so seien einmal mehr die nach dem Winter (welchem Winter eigentlich?) ungeübten Motorradfahrer oft Opfer der verheerenden Unfallstatistik. Meine Recherche ergab genau einen Motorradtoten. Kollidiert mit – ja, ratet mal! – einem Elch. Was sonst! Der klassische schwedische Verkehrs-Exitus also, da hilft alle Vorsicht nichts. Zum Glück kehrt morgen dann wieder Ruhe auf den stark geschundenen Straßen ein, bis kurz vor Mittsommer die Deutschen einfallen.

Sunday, April 1, 2007

Deutschland – ein Ammenmärchen

Ah, ich liebe dieses Land! Es gibt nichts schöneres, als wieder daheim im beschaulichen Norden zu sein! Auf meiner letztwöchigen Deutschlandreise stellte ich nämlich fest: Der Irrsinn hat nicht nur in Schweden Einzug gehalten. Vor allem scheint Bayern kurz vor dem Abschmieren zu sein, wo Politikerinnen im Latexoutfit vor der Presse posieren und ein Nürnberger Bürgermeister die Einrichtung von Seniorenspielplätzen fordert. Seniorenspielplätze! Respekt! Nicht einmal ein schwedischer Stadtrat am Rande des Realitätsverlustes hat so etwas bisher vorgeschlagen. Kom Oppa, wir gehn ne Runde Wippen!
Ich drehte also eine Runde durch die Alte Heimat (West), und da ich den sozialen Jetlag noch nicht überwunden habe hier und heute nur ein kurzes Fazit: Besonders beeindruckend einmal mehr der Anblick der intellektuellen Trümmerlandschaft im Ruhrpott, die geistige Stunde Null noch immer nicht überwunden, und irgendwie macht alles den Eindruck, als wäre es in die Friteuse gefallen. Diesem Elend den Rücken kehrend bestieg ich das Flugzeug in Richtung Süddeutschland, ab Drehtüre Flughafen Düsseldorf dann ausschliesslich hektisch umherlaufendes, rollköfferchenbewehrtes, gedeckt grauuniformiertes mittleres und unteres Management mit abgesägten Designerbrillengläsern und hochwichtigen Gesichtern, auf dem Fünfunddreissigminutenflug Orangensaft schlürfend. Viele Schnauzer, und so eine Schenkelbürstendichte bin ich von Schweden nicht mehr gewohnt. Ein Fernsehabend mit "Deutschland nächstes Topmodel" (oder so ähnlich) katalysiert mein Grauen. Heidi Klums infantile Wortkonvulsionen bohren sich wie glühende Nägel in den Gehörgang. Ich bin deprimiert. Irgendwie war das doch früher alles besser hier. Ich hatte nie einen Schnauzer, und meine Freunde auch nicht. Und jetzt? Soll das der Aufschwung sein? Investmentbanker gekreuzt mit Staubsaugervertreter als neue Herrenrasse, dazu ein Volk von medienverblödeten Vollidioten? Ich glaub' ich war im falschen Film. Morgen schalte ich wieder SVT ein.