Friday, April 13, 2007

Im Supermarkt

War die werte Leserschaft schon einmal in einem schwedischen Supermarkt einkaufen? Nein? Dann Gott sei es gelobt und gepfiffen! Vom Händler aus betrachtet, ist die Welt hier noch mehr als in Ordnung. Die Marge, so hörte ich kürzlich, liege bei satten siebzehn Prozent! In Deutschland liegt sie bei einem Prozent. Aber der Schwede kauft gern Qualität, und Qualität ist teuer. Also schlägt der Einzelhändler gerne sechzehn Prozent auf das eine Prozent drauf, damit der Schwede das Gefühl hat, er habe gut gekauft. Eine Charaktereigenschaft ist nämlich, dass der Schwede gerne zuviel bezahlt. Überall und für alles. Zu viele Steuern, zu hohe Preise. Da ist er dann glücklich, denn dann stimmt die gefühlte Qualität. Daher geht es auch Lidl hier schlecht. Denn er ist zu billig. Auch in der Aufmachung, das Design stimmt einfach nicht. Der Schwede - und da schließe ich mich in diesem Fall als ausgewiesener Lidl-Hasser an- fühlt sich gern wohl. Und im Lidl fühlt man sich unwohl. Kein Klo. Keine Fika-Ecke. Beim neulich eröffneten ersten Mediamarkt lief es hingegen besser. Hier hatten selbst die Schweden die Nase voll von ihren Expert, On-Off und El-Giganten (beim El-Giganten war ich einmal. Das gigantisch bezog sich eindeutig auf die Preise, das Sortiment war eher wie in der DDR). Dabei liebt der Schwede High-Tech und Gadgets. Also lief er in Scharen zum Mediamarkt über. Die Eröffnung war ein Fest, fast wie damals in Polen. Aber was für High-Tech gilt, gilt eben nicht im Lebensmitteleinzelhandel. Nur der hochnäsige Stockholmer isst gern fremdländisch, der gewöhnliche Schwede braucht keinen Chaumes, Etorki oder Appenzeller. Ihm reicht statt Käse der „ost“ und statt Wurst die „korv“ (Der Langenscheidt übersetzt korv mit Wurst, aber das ist falsch. Es handelt sich vielmehr um ein Wurst-Imitat aus Augen, Klauen, Rüsseln, Schwänzen, Hufen, Borsten und Rosetten, gemischt mit reichlich Soja-Mehl). Der „ost“ also das korrespondierende Käseimitat, besteht aus Gelatine, Salz, Farb- und Aromastoffen in variierenden Anteilen, je nachdem wird er dann als Greve-, Präst- oder Hyllinge-Ost bezeichnet. Fehlen Farb- und Aromastoffe, so verkauft er sich als „hushållsost“, also Haushaltskäse und besteht vermutlich aus derselben Substanz, die auch für Flumis verwendet wird. Hat man sich dann den Einkaufskorb mit derartigen Leckerein gefüllt (vom „Brot“ möchte ich heute nicht sprechen, das ist einen eigenen Eintrag wert), begibt man sich zur Kasse, wo der Schwede sich gern an der längsten Schlange anstellt. Der Deutsche mag jetzt etwas fickrig werden, wenn die Kassiererin die Ware in Stundenzeigerlangsamkeit über den Scanner zieht, nachdem sie bei jedem Artikel durch mehrfaches Drehen und Wenden endlich den Strichcode erspäht hat, verbunden mit einem kleinen Plausch mit jedem Kunden. Wenn man an der Reihe ist, liegt der Blutdruck im von der WHO als kritisch eingestuften Bereich. Aber wenn wir dann mit dem unvergleichlichen, gemütlich-freundlichen und entwaffnenden „hej-hej“ begrüßt werden, begreifen wir: Der Fehler liegt nicht im System. Der Fehler liegt bei uns selbst. Um ein richtiger Schwede zu werden, muss ich noch hart an mir arbeiten.

3 comments:

Pamphletterman said...

Alles super?
(Auf die Eingangs gestellte Frage hin: „Klar!“ Zuletzt jener tiefgeflogene Noteinkauf von 1 Pckg. KartoffelPü, Hack-Paddies und einem Festmeter Flauschideckel-Toast -allessamt also quasi Lebensfremdmittel für die nachgekaterte Zwangsernährung gen Tagesende.)
Das Konzept hinter dem Kaufrauschgifthandel formulier’ ich als „instrumentalisierte Nebensächlichkeit“. Hier geht es nurmehr um die Inszenierung der Wirkung –vom Fastenangebot bis fast food. Die Ursache eines eigentlich und ursprünglichen Bedürfnisses mutiert zur Ursache eines gelegentlichen. Dem rein angebotsforcierten. Das Angebot muss primär überreden im Sinne von kommunikativer Lautstärke und Geschmacklosigkeit –ohne erst den Anspruch an Überzeugungskraft oder nachgefragter Berechtigung haben zu wollen. Hier verschreibe ich wegen unkontrollierbarer Nebenwirkungen konsequenten „Buykott“. Konsum ist immer auch ein Spiegel seiner selbst: Man ist, was man isst. Voilà, die volle Handelspanne –je nach Betonung: mehr Panne als spannend.
Sicherlich: es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgendjemand ein wenig schlechter machen und etwas billiger verkaufen könnte; und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren werden die gerechte Beute solcher Machenschaften.
Es ist unklug, zuviel zu bezahlen, aber es ist noch schlechter, zu wenig zu bezahlen. Wenn man zuviel bezahlt, verliert man etwas Geld, das ist alles. Wer dagegen zu wenig bezahlt, verliert manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann. Das Gesetz des Wirtschaftens verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten. Wer das niedrigste Angebot annimmt, muß für das Risiko das er eingeht, etwas hinzurechnen. Und wer das tut, hat auch genug Geld, um etwas Besseres zu erhalten. Das, meine lieben Marketingkollegen vom Trendscoutlandyard bzw. der Szenario-CIA schreibt Euch hinter eure Schaumschlägerlöffel.
Neulich bei „breunigger“ hatte ich ohnehin das ungute Gehfühl auf Schritt, im Schritt und Tritt von einer Videofilzlaus georwellt zu werden. Ich musste mich ordentlich öffentlich kratzen, da es die Kameraden offensichtlich schwer juckt, ob ich lieber in der Sicht-, der Bück- oder der Streckzone zugreife. Mensch, leckt’ mich am Arsch, dachte ich: Mein Portemonnaie gehört mir!
Als romanophiler Mensch hatte ich heute schon ein ordentliches ientaculum –von wegen Wellnesswurst mit Gewissensbissen. Das prandium gestalte ich –kantinesisch fremdgesteuert-schmalhänschenhaft. Zur cena kommt dann wieder ordentlich „Tinte auf den Füller“. Die comissatio fällt heute aus –am Wochende gabs genug Pils zwischen Leber und Milz -das war super!

Anonymous said...

Manueller Trackback. :-)

http://www.fiket.de/2007/04/23/einkaufen-in-schweden/

Gruß
Thomas

Anonymous said...

Dass Lidl nicht gut ankommt, höre ich hier zum ersten mal. Natürlich fühlt man sich in den Discountern nicht so wohl, wie in regulären Supermärkten, allerdings kann sich diesen luxus heutzutage ja leider nicht mehr jeder leisten. Da nimmt man auch schonmal gerne ein paar Unannehmlichkeiten in Kauf.