Sunday, March 25, 2007

Nachruf auf den Automobilsozialismus

Wenn man in Deutschland aufgewachsen ist, ist man ja quasi Kind einer automobilen Gesellschaft. Als ich vor zwölf Jahren zum ersten Mal nach Schweden kam, war man hier noch neutral, das heißt, nicht in der EU, und es gab nur zwei Sorten Automobile: den Volvo 240 und den Saab 900. Sonst nichts. Man bewegte sich also sozusagen noch im automobilen Präkambrium. Für die Nicht-Auto-Enthusiasten und Frauen unter den Lesern: Der Volvo 240 ist ein Wagen mit einem Design, wie es Dreijährige gerne im Kindergarten zeichnen, also recht klobig, dem Luftwiderstand eines Kleiderschranks, der Motorisierung eines Traktors und dem Komfort eines Beichstuhls auf Rädern. Von eigenen Fahrversuchen eines solchen Gefährtes, falls es jemandem unterkommen sollte, rate ich übrigens dringend ab, es sei denn, Ihr habt noch einen Opa, der einen Panzerführerschein aus dem Zweiten Weltkrieg hat und der Euch eine Einweisung geben kann. Der Saab 900 hatte eine etwas ansprechendere Form, dafür aber die Qualität unterhalb eines Opels, und war mit dem Rostschutz einer handelsüblichen Konservendose versehen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals ein Modell gesehen zu haben, bei dem nicht der Lack großflächig an den Türkanten abplatzte. Mit diesem Fuhrpark tuckerte der Schwede (und nicht nur der Schwede – auch ein rumänischer Kollege von mir wurde von der Modellpalette angesprochen) also gemütlich mit neunzig über seine Autobahnen, und mit siebzig über die Landsstraßen. Das Reißverschluss-System war ihm nur von seiner Angelweste bekannt, und eher ging ein Kamel durch ein Nadelöhr als dass ein Volvofahrer am Zebrastreifen hielt oder gar rechts vor links beachtete. Heute ist das anders. Über die Autobahnen rast man mit einhundertundzehn (es sind nun sogar einhundertzwanzig im Gespräch!), in Stockholm hat man sich als einziger Stadt des Landes gar einen Stau angeschafft, allerdings nur morgens kurzzeitig und abends, man sieht ab und an ausländische Automodelle, und, wenn man geduldig genug auf der Lauer liegt, kann es passieren, dass einem sogar einmal ein Kleinwagen über den Weg fährt. Und das Beste: letzte Woche hielt sogar einer am Zebrastreifen, ohne dass ich ihn zur Vollbremsung zwingen musste! Die Schweden sind halt doch ein flexibles Völkchen!

1 comment:

Pamphletterman said...

Da das Automobil ja nachweislich die gefahrgütliche Nachlassbevollmächtigte der embryonalen Enthüllung fast eines jeden Mannes darstellt baut mann eben gerne in stabil, skurril oder infantil. Die garagierte Fortsetzung des Geburtskanals quasi (--> deswegen auch Lancia Vulva, Ferrari Tesosterossa, oder schlicht „Playboy“: http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Playboy_Auto.jpg). Solange es sich -wie bei den zitierten Volvo- und Saab-Modellen -derart formschön artikuliert (und hier ist eben die Frage welche Form –geschmacksverschieden- schön ist) stehe ich als bekennender Bodenraketenethusiast auch zu dieser evolutionären Vorbestimmung. Insbesondere der Volvo 240 lässt mich wehmütig stoßseufzend an die legendäre Stippvisite in Brüssel erinnern während der es weder die tourett-syndrom-ähnlichen Vollgasattacken unserer Herbergsmutter (ich sag nur: like a virgin) noch die darauf folgenden Bremsspasmen vermochten den benzinsaufenden, schuhkartonierten Schwedensarg zu zwingen. Dieses Gutauto hat seinen Platz in meiner „Garage of fame“. Saab kenn’ ich jetzt eher als militärisches Vehikel. Legendär –auch vom Naming sehr ansprechend- wären hier „Saab Viggen/Draken und Gripen“ (allesamt Dü-Jäger ;-). Aber lassen wir das, ist das Auto doch heutzutage Kriegsspielzeug genug: Hormongetauft kriegt man das Spielzeug dann spielt man halt Krieg mit dem Zeug. Mann spinnt sich in seinen stählernen Kokon und…spinnt weiter. Bei soviel Spinnerei („ ... es raucht, es säuft und manchmal bumst es ... “) deentwickelt sich so manche Zivilisiertheit zum Totalverlust des roten Fadens. Blutrot nur zu oft und bekreuzigt an jeder Landstraße: das Ende dieser Kreuzfahrt, das Ende des Themas „Auto“.